Vom Zuhören und Zeit haben
Margarethe Luntz arbeitet seit acht Jahren als Alltagsbegleiterin für die Caritas-Sozialstation Sankt Michael Werneck. Warum sie damals im Alter von 50 Jahren einen neuen Beruf wählte und wie sehr dieser sie zufrieden stellt, erzählt sie im Interview. Im Rückblick schildert sie auch ihre anfänglichen Ängste, ob sie der Aufgabe auch gewachsen sei. Und sie will anderen Frauen in der Lebensmitte Mut machen, diese erfüllende Tätigkeit aufzunehmen.
Wie kamen Sie zu Ihrer Anstellung als Alltagsbegleiterin?
Luntz: Ich hatte jahrelang meine Schwiegermutter betreut, meine Kinder waren mittlerweile erwachsen. Ursprünglich, als junge Frau, hatte ich als Friseurin gelernt und gearbeitet. Ich suchte aber eine neue Aufgabe. Über eine Bekannte in der Tagespflege der Caritas-Sozialstation wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass Ulrich Buchholz, der Leiter der Sozialstation, etwas Neues aufbauen möchte. Da habe ich mich beworben und dann einen Kurs gemacht.
Was war denn das Neue?
Herrn Buchholz war klar, dass die eigentliche ambulante Pflege durch die Schwestern der Sozialstation oft nicht ausreicht. Viele Pflegebedürftige, viele alte Menschen überhaupt brauchen Zeit und Zuwendung, jemanden, der mit ihnen spricht und ihnen zuhört. Und viele alte Menschen wohnen allein und sind einsam, sie haben niemanden, der sich um sie kümmert.
Wie lief denn der Start in das neue Berufsleben?
Luntz: Gleich meine erste Kundin war eine sehr demente Seniorin, die oft sehr aufgebracht war, was für mich schwierig war. Ich sollte ihr früh ein bisschen beim Anziehen und Waschen helfen und ihr Frühstück bereiten. Anschließend betete ich ein wenig mit ihr, denn das beruhigte sie. Die Angehörigen gaben mir dann eine Kassette mit Gebeten, das wirkte schon entspannend auf sie. Aber da habe ich schon gezweifelt, ob dieser Job das richtige für mich ist, ob ich das schaffe. Aber dieser Fall war eine Ausnahme, dann wurde ich sicherer, dann lief es immer besser.
Inwiefern besser?
Die Kunden freuen sich so, wenn man mit ihnen Zeit verbringt. Meistens sind es ja ältere Frauen, wir unterhalten uns, können uns gegenseitig viel erzählen. Da ist die eigene Lebenserfahrung wichtig. Wer von den Angehörigen hat denn die Zeit, einfach mal zuzuhören? Wir sind auch dafür da, dass die Angehörigen mal in Ruhe einkaufen oder zum Arzt gehen können. Natürlich wische ich auch mal durch. Oder ich backe einen Kuchen für die Kundin. Wenn ich ihr beispielsweise die Haare mache, dann ist sie so glücklich. Ja, man kommt ihnen nahe und man bekommt so viel zurück. Da entsteht eine richtige Beziehung.
Wie lange sind Sie denn bei Ihren Kunden?
Das kommt darauf an, wieviel gebucht wird, wieviel finanziert wird. Unter zwei Stunden macht es wenig Sinn, wenn man bedenkt, dass mindestens die Hälfte der Zeit für die reine Betreuung gedacht ist. Es gibt Kunden, da gehe ich zweimal die Woche für zwei oder drei Stunden hin, bei anderen nur einmal, wieder bei anderen bin ich jeden Tag für zwei Stunden. Derzeit arbeite ich 25 Stunden die Woche und habe fünf Kunden.
Hat die Corona-Pandemie auch Auswirkungen auf Ihre Arbeit?
Gottseidank haben mich meine Kunden bis auf eine Ausnahme die ganze Zeit über zu sich kommen lassen. Bei anderen Kolleginnen sind aber Stunden ausgefallen, weil die alten Menschen Angst vor Ansteckung haben. Zusätzlich war beim ersten Lockdown auch unsere Tagespflege in Zeuzleben geschlossen, bei der etliche Kunden ebenfalls einige Tage verbringen. Wir sind dann bei solchen Kunden für zusätzliche Stunden angefragt worden. Die Angehörigen haben gemerkt, dass sie eine Struktur für die Tage brauchen.