In der Seniorentagespflege der Caritas-Sozialstation Sankt Michael in Werneck-Zeuzleben zählen Emma Rudloff und Rupprecht Bullinger mit ihren 101 Jahren zu den ältesten Tagesgästen. Beide kommen aus dem Wernecker Gemeindeteil Ettleben, beide sind 1922 dort geboren und aufgewachsen, haben zuhause oder an der Front den Zweiten Weltkrieg miterlebt, haben danach ihre jeweiligen Partner geheiratet und ihre Familien gegründet. Was beiden auch gemeinsam ist: Sie bezeichnen sich als Familienmenschen, denen ein gutes Miteinander sehr wichtig ist.
Die beiden Senioren sind in ihrem hohen Alter geistig noch sehr fit und kommen gerne in die Tagespflege. „Weil es uns so gut gefällt“, wie sie sagen: Die Umgebung, das Programm, die Atmosphäre, das Personal und das Essen. „Und man ist nicht allein“, meint Rupprecht Bullinger. „Aber nachmittags ist man dann froh, wenn man ein bisschen Ruhe hat“, lacht Emma Rudloff.
Im Gespräch blicken die 101-Jährigen zurück und wirken zufrieden mit ihrem Leben.
Frage: Warum, glauben Sie, sind Sie so alt geworden?
Emma Rudloff: Ich habe immer zum lieben Gott gesagt: Du hast mir Kraft gegeben, also muss ich sie auch nützen. Auch wenn mein Leben nicht leicht war und ich viel arbeiten musste, als mein Mann mit 50 Jahren gestorben ist und ich mit vier Kindern dastand, habe ich immer den Laden geschmissen. Ich glaube, wenn man gut zueinander ist, dann klappt das auch.
Rupprecht Bullinger: Wir waren neun Geschwister daheim, zwei leben noch. Ich musste mit 20 Jahren in den Krieg und hab‘ so viel mitgemacht. Aber ich habe immer gedacht, ich darf nicht aufgeben, sonst bist du verloren.
Frage: Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste im Leben?
Emma Rudloff: Die Familie. Ich bin mit meinen Kindern belohnt worden. Sie sind alle gut geraten und haben gute Partner gefunden. Und ich bin dankbar, dass sich alle miteinander gut verstehen.
Rupprecht Bullinger: Glaube, Liebe, Hoffnung, das ist das Wichtigste. Der Glaube an Gott hält einen, und natürlich die Hoffnung. Man muss immer hoffen. Ich hoffe, dass es noch ein Jahr gut tut. Das Wichtigste aber ist die Liebe: zu meiner Frau, die 2018 gestorben ist, und zu meinen Kindern.
Frage: Wie haben Sie in Ihrem Leben Ärger, Konflikte oder Krisen bewältigt?
Emma Rudloff: Also Ärger mit anderen Leuten hatte ich eigentlich nie. Wir haben uns in der Familie immer gut verstanden. Und auch mit den Nachbarn war alles in Butter. Man muss halt aufeinander zugehen, auch in schweren Zeiten. Ich selbst hatte eine gute Freundin, die mir sehr geholfen hat, als mein Mann gestorben war.
Rupprecht Bullinger: Der Krieg war das Schlimmste, was ich erlebt habe. Er hat mich auch geprägt. Als ich 1945 nach Hause kam, war ich seelisch und moralisch fertig. Aber ich habe einen starken Willen und habe nicht aufgegeben. Und danach, ab 1955, fing das Leben an: Wir sind zum Tanzen gegangen, ich habe auch Theater gespielt und bin über das Theater mit meiner Frau zusammengekommen.
Frage: Was wünschen Sie den jungen Leuten heute?
Emma Rudloff: Dass sie eine glückliche Familie haben und gute Freunde, die ihnen beistehen.
Rupprecht Bullinger: Dass sie keinen Krieg mitmachen müssen und in Frieden leben können.